Erwin Grosche verzaubert beim Kultursommer Mittelhessen in Ortenberg

Text & Foto: Manuela Baumann
Text & Foto: Manuela Baumann

Ortenberg (mba). Ein Philosoph mit dem Schalk eines Clowns oder ein Kind, das die Welt mit den abgeklärten Augeneines Weisen sieht? In jedem Fall war Erwin Grosches Auftritt in Ortenberg ein Genuss.

 

ORTENBERG. "Einen großartigen Abend mit dem großartigen Erwin Grosche! wünschte die Ortenberger Kulturkreis-Vorsitzende Dörthe Herrler dem erwartungsfrohen Publikum des Auftakts der Veranstaltungsreihe "Sommerbühne am Schloss". Und ihr Wunsch sollte in Erfüllung gehen.

 

Schon oft ist der Paderborner Kabarettist in den vergangenen 30 Jahren in Ortenberg aufgetreten, jedes Mal war es wunderbar und einzigartig. Und dennoch erreichte der Auftritt vor 100 Gästen auf der Open-Air-Bühne des Mittelhessischen Kultursommers auf dem lauschigen Platz am Fürstlichen Rentamt, fast versteckt zwischen Marienkirche und Schloss gelegen, eine ungeahnte Intensität, einen ganz besonderen Zauber, den man nicht herbeizwingen und erst recht nicht planen kann. Er ergibt sich einfach von selbst, wenn die richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammenkommen.

 

Wenn es Veranstaltungen gibt, die die Bezeichnung "Sternstunde" verdient haben, dann gehört das "Best of Erwin Grosche"-Open-Air in Ortenberg auf jeden Fall dazu. Es passte einfach alles: der Ort, die Stimmung, die schöne sommerliche Wärme bis in den späten Abend, die Freude des Publikums, nach Monaten coronabedingter Einschränkungen endlich wieder einmal Kultur in einem größeren Kreis erleben zu dürfen, und die Freude des Künstlers, auftreten und einmal mehr im Städtchen in Niddertal sein zu können.

 

Wie eine Jugendliebe

 

Erwin Grosche und Ortenberg, das ist wie eine Jugendliebe, die alle Zeiten und Räume überdauert und die immer wieder aufs Neue entflammt, wenn man sich begegnet. Grosche ist älter geworden, seit er vor über 30 Jahren zum erstem Mal hier war. Die einst dunklen Locken sind kurz und grau geworden. Und dennoch ist er frisch geblieben, neugierig und unbefangen und hat sich das Staunen-Können und die Faszinationsfähigkeit bewahrt. Überhaupt fragt man sich, ob da nun ein Kind auf der Bühne steht, das die Welt durch die abgeklärten Augen eines Weisen sieht, oder ein Weiser, der mit den großen, staunenden Augen eines Kindes in die Welt blickt. Ein Philosoph mit dem Schalk eines Clowns oder ein Clown mit der Tiefgründigkeit eines Philosophen? Grosche ist dies alles und noch viel mehr. Er ist ein Wortakrobat, ein Sprachkünstler, ein Mensch mit ungeheuerem Gespür für die Wirkung von Worten, Lauten, Gesten. Er ist ein Sinnsucher, ein Spaßmacher, ein verquerer Welterklärer, ein Lautmaler von van Goghscher Virtuosität. Wer sagt, er sei ein Querdenker, tut ihm unrecht, denn er denkt nicht bloß um die Ecke, sondern in Pirouetten. Und dabei schlägt er manchen Salto, dem man als Zuhörer so schnell gar nicht richtig folgen kann und von dem man doch gleichzeitig hingerissen ist.

 

Manche bezeichnen das, was Erwin Grosche macht, als eine Art höheren Blödsinn. Und sicher, man kann über das, was er da auf die Bühne bringt, auch so ganz einfach herzlich lachen - ohne die vielen Dimensionen zu sehen und zu erkennen, die sich hinter seinen Geschichten und Wortspielereien verbergen. Notfalls kann Grosche auch diejenigen bei Laune halten, deren Humor auf dem Niveau von Brachial-Comedy angesiedelt ist und die Witze vor allem dann verstehen, wenn sie sie wie eine Dachlatte vor den Kopf geschlagen bekommen. Aber seine Kern-Zielgruppe ist das nicht. Diese, nämlich Menschen, die im vermeintlichen Unsinn den Feinsinn erkennen, die bereit sind, sich von Erwin Grosche nicht nur unterhalten, sondern auch verzaubern zu lassen und die sich von ihm an die Hand nehmen lassen, um eine Welt zu entdecken, die voller Absurditäten und gleichzeitig voller Faszination und Schönheit steckt, waren am Freitagabend in Ortenberg versammelt. Begeistert ließen sie sich von Grosche mitnehmen durch über vier Jahrzehnte Ausnahme-Kabarett, begegneten vielen alten Bekannten, wie den Omis, die in ihren neuen gelben Gummistiefeln nicht im Meer herumtapsen, sondern stattdessen in Cafés sitzen. Dort wird Kakao und Apfelkuchen mit Schlagsahne serviert und sie sehen den Lachmöwen zu, die am Himmel den Kapitänsgruß segeln. Sie betrieben Frühsport nach

Getreidesorten, zelebrierten Nivea-Huldigungen und ließen sich vom Nutzen der

"Peter-Sloterdijk-Entspannungstasche" überzeugen. Und das alles an einem Ort, "wo die Gegenwart nicht angekommen ist", wie Grosche das malerische Plätzchen am Rentamt beschrieb, dessen Zauber ihn sofort gefangen nahm. Auch das ist etwas Besonderes an Grosche: Wenn er spricht und erzählt, wenn er sich für etwas begeistert, dann weiß man, dass er genau das, was er sagt, auch meint. In solchen Momenten sieht man nicht nur seine Augen leuchten, sondern man spürt auch sein großes leuchtendes Herz. Hoffentlich noch ganz oft in Ortenberg!

 

Erwin Grosche - ein Philosoph mit dem Schalk eines Clowns, ein Kind auf der Bühne, das die Welt durch die abgeklärten Augen eines Weisen sieht? In jedem Fall ein Bühnenkünstler mit einem großen, leuchtenden Herzen, den man noch möglichst häufig in Ortenberg sehen will. Das findet nicht nur das Publikum, das ihn am Freitagabend erleben durfte.

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