Kultursommer Mittelhessen – Jazz am Schloss mit Christoph Oeser

Foto: Inge Müller
Foto: Inge Müller

ORTENBERG (mü). Endlich wieder Kultur – und endlich wieder Jazz in Ortenberg! Neben der Führung des Kulturkreises Altes Rathaus und den Vertretern des Kultursommers Mittelhessen hatten sich viele Jazzfreunde von nah und fern um den langjährigen Vorsitzenden des Jazzclubs Ortenberg, Uli Heck, und seinen eigens aus der Schweiz angereist Nachfolger Dirk Raufeisen vor der Bühne versammelt, um den Konzertabend unter dem Motto „Jazz am Schloss“ zu genießen. Die Vorfreude des Publikums war genauso mit Händen zu greifen wie die Begeisterung und innere Bewegung auf der Bühne: „Es ist einfach unfassbar, wieder live, vor Ihnen, liebe Zuhörer, spielen zu können“, sagte Christoph Oeser, vielseitiger Pianist und Bandleader des Abends. „Ein Streaming im Netz, nur verfolgt von Kameras und einem für uns Musiker unsichtbaren Publikum, kann dieses Erlebnis niemals ersetzen. Danke, dass Sie da sind, danke an den Kulturkreis Ortenberg, den Kultursommer Mittelhessen, den Hessischen Rundfunk und das Fürstenhaus zu Stolberg-Roßla für diese Möglichkeit und dieses wundervolle Wiedersehen mit Ihnen!“


Kaum ausgesprochen, warf sich das Trio mit Oeser am Piano sowie Paul G. Ulrich am Kontrabass und Kalle Hoffmeister am Schlagzeug mit Brillanz, Temperament und hinreißender Spielfreude in den ersten Boogie des Abends. Der Funke sprang auf Anhieb über, das Publikum erwiderte der Dank der Band durch Mitschwingen, rhythmisches Klatschen und vehementen Applaus für jedes Solo. Oeser ist in Ortenberg kein Unbekannter, jahrelang legte er sich den Jazzfreunden nachdrücklich durch seine „Grand Piano Duo“-Abende gemeinsam mit Dirk Raufeisen ans Herz. Hier nun war der Mann, der in der Nachfolge des modernen Boogie-Woogie-Pioniers und Bandgründers Leo von Knobelsdorff (1932 bis 2013) das Piano der legendären Boogie-Woogie-Band of Cologne übernommen hat, gemeinsam mit zwei Mitstreitern der gleichen Formation am Start: Der kongeniale Kontrabassist und Sänger Paul G. Ulrich, einst auch gemeinsam mit Paul Kuhn unterwegs, bildete eine perfekte Einheit mit den Klavierlinien, verwandelte sein Instrument mühelos in ein mit dem Bogen gestrichenes Solo-Cello, eine zarte Zither oder einen tiefgründigen Percussions- und Resonanzkörper. Kalle Hoffmeister, „der Shuffle-König vom Niederrhein“ (O-Ton Oeser) sorgte am Schlagzeug für den gleichermaßen zuverlässigen wie variantenreichen Groove und steht als Gründungsmitglied der Boogie-Woogie-Band of Cologne nicht zuletzt für Kontinuität in dem Bestreben, einen unsterblichen Musikstil mit Kultstatus ins Heute zu übersetzen. Das Trio überzeugte restlos mit Raritäten aus der Entstehungszeit des Genres vor knapp hundert Jahren sowie mit Oesers Eigenkompositionen wie „The Christoph Stomp“, dem „Night Owl Blues“ oder einer Improvisation über das amerikanische Volkslied Swanee River, im virtuosen Wechselspiel mit dem Bass variiert von der Gregorianik über Bach und Beethoven bis hin zum „Swanee Boogie“ in zeitgenössischer Interpretation. „So viel zu der immer wieder gestellten Frage, ob ich denn auch Klassik gelernt habe“, kommentierte Oeser trocken den Parforceritt „In drei Minuten durch 800 Jahre Musikgeschichte“. „Ja, habe ich – und dabei in meiner Jugend elf Klavierlehrer verschlissen.“

Die ursprüngliche Verbindung des Boogie mit der Welt rund um den amerikanischen Eisenbahnbau wurde durch rhythmisch akzentuierte Songs wie „Choo-Choo-Ch‘ Boogie“ von Louis Jordan und „Honky Tonk Train Blues“ von Meade Lux Lewis hörbar, der „Pinetop Boogie Woogie“ erinnerte an einen späteren Mega-Hit aus der Feder von Ausnahmepianist Clarence „Pinetop“ Smith, der nur 25-jährig, am Klavier sitzend, bei einer Schießerei ums Leben kam. Mit dem “Subway Special” erwies man einem früheren Kölner Jazzclub und somit den Wurzeln der Band die Ehre – freudig begrüßte man kurzzeitig auch den Hausherrn, Fürst Alexander zu Stolberg-Roßla am Piano, der zwei Songs, einschließlich den Gershwin-Boogie “Lady be good” am Schlagzeug begleitete. Wer geglaubt hatte, sich angesichts der geltenden Corona-Regeln vielleicht mit einer abgespeckten Konzert-Variante abfinden zu müssen, wurde durch Christoph Oeser und seine Kollegen eines Besseren belehrt: Reich beschenkt mit zweieinhalb Stunden fulminantem Boogie-, Blues- und Swing-Genuss verließ man den Schlosshof, die einschmeichelnde Stimme von Paul G. Ulrich und den Abschiedssong „Everyday I Got The Blues“ noch im Ohr.

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