Kreis-Anzeiger – 20.09.2022 - LokalesOrtenberg

Wirbeley-Konzert in Ortenberg begeistert Publikum

Ortenberg (mü) - »Le Chaim! - Auf das Leben!«: Mit diesem hebräischen Trinkspruch verabschieden sich Jalda Rebling (Mitte) und Wirbeley, (v. l.) Michael Sapp, Georg Arthur

Schumann, Cornelia Schumann und Anna Katharina Schumann, von ihrem Publikum.

© Ingeborg Schneider

 

Mit jüdischer Musik, bereichert durch verschiedene Einflüsse aus aller Welt, eröffnete die Gruppe Wirbeley die Reihe »600 Jahre jüdisches Leben in Ortenberg« - sehr zur Begeisterung des Publikums.

 

Ortenberg (mü). Mit einer Reise durch die jüdische Musik vieler Länder und Zeiten

begeisterten das Dresdner Weltmusik-Ensemble Wirbeley und die Berliner Kantorin Jalda

Rebling auf Einladung des Ortenberger Kulturkreises Altes Rathaus ihr Publikum im Festzelt

der Kalbsvilla. Der Abend unter dem Motto »Mazel tov für Ortenberg - Spuren unserer

uralten Beziehung zu den Töchtern und Söhnen Zions« bildete den Auftakt zur

Veranstaltungsreihe »600 Jahre jüdisches Leben in Ortenberg«, wie Kulturkreis-Vorsitzende

Manuela Baumann eingangs erläuterte.

 

Sie dankte ihrem Stellvertreter Pfarrer Martin Schindel für die Ideengebung sowie Hans

Schwab und Ronka Nickel für die Verbindung zu den Dresdner Multiinstrumentalisten, die

bereits mehrfach im Brettl-Palast reüssiert hatten. Dementsprechend war der Abend für viele

auch ein willkommenes Wiedersehen und -hören mit Michael Sapp, Cornelia Schumann,

Anna Katharina Schumann und Georg Arthur Schumann, die gemäß ihres Ensemblenamens

einen wirbelnden Reigen jüdischer Melodien zwischen Melancholie und Aufbegehren, purer

Lebensfreude und Leidenschaft, Psalmen, Volks- und Minneliedern anstimmten und dabei die

Traditionen des Judentums in Deutschland, Polen und Österreich-Ungarn, in Spanien,

Portugal und Marokko, in Israel, der Türkei und Indien streiften.

 

Brauchtum und Spiritualität

Zusätzlichen Tiefgang, Authentizität und Strahlkraft entfaltete das Konzert durch die Präsenz

von Jalda Rebling, der Kantorin (Chasanit) der Berliner Synagoge Als Solistin übernahm sie

viele tragende Passagen und schuf dem Publikum mit ihrer Moderation einen Zugang zu

jüdischem Brauchtum und der Spiritualität des Judentums.

 

Den Auftakt des Konzerts bildete das würdevolle Blasen des Schofars durch Anna Katharina

Schumann: Die Hallposaune aus dem Horn eines Kudu oder eines Widders gehört zu den

liturgischen Instrumenten des Judentums und erklingt in der Synagoge. Ebenso feierlich und

rituell gestaltete sich der Einzug Jalda Reblings, die den hebräisch-arabischen Gebetsgesang

»Sha’alu Shalom Yerushalayim - Betet um Frieden für Jerusalem« intonierte. Und schon

öffnete sich der Fächer der Emotionen in Liedern und Texten von Itzik Manger (1901 bis

1969), Mordechaj Gebirtig (1877 bis 1942) und des mittelalterlichen jüdischen Spruch- und

Minnedichters Süßkind von Trimberg, der das Motiv der freien Gedanken vorwegnahm, aber

auch des christlichen Komponisten Heinrich Schütz (1585 bis 1672).

 

Musik-Einflüsse aus aller Welt

Neben dem Jiddischen erklangen das alltägliche und das liturgische Hebräisch, speziell zur

Wiedergabe der Psalmen (Tehillim), dazu die mittelhochdeutsche Sprache sowie türkische

und indische Facetten. Ebenso vielgestaltig - und wie von den Philharmoniemitgliedern und

 

Musikdozentinnen bei Wirbeley nicht anders zu erwarten - stellte sich das Spektrum der

Instrumente dar: Es reichte von Hörnern und Flöten über die Viola, das Akkordeon und die

Singende Säge bis hin zur Davul. Die Themen der Psalmen entfalteten angesichts der

jüdischen Geschichte und der aktuellen Weltlage eine bewegende Aktualität. So etwa die

Zeilen aus Psalm 58 in der Vertonung von Heinrich Schütz: »Wie nun, ihr Herren, seid ihr

stumm, dass ihr kein Recht künnt sprechen? Was gleich und grad, das macht ihr krumm, helft

niemand zu seim Rechten. Mutwillig übt ihr Gwalt im Land, nur Frevel geht durch eure Hand,

was will zuletzt draus werden?« Dem gegenüber standen die fröhlichen Liebes- und

Hochzeitslieder, die das Publikum zum Mitklatschen brachten, und die Einblicke ins

Familienleben, wo das Töchterchen keinen Schmuck begehrt, sondern einzig eine Hochzeit,

und die »Mome« den geliebten Sohn mit so viel wärmender Kleidung eindeckt, dass er den

Traum vom Fliegen aufgeben muss. Deutlich wurden die vielfältigen Wurzeln und die

weltweite Verbreitung jüdischen Liedguts. So wandert »Et dodim kala - Ein Augenblick der

Liebe« mit den marokkanischen Juden nach Israel, von dort aus in die Türkei und nach

Indien, ein Rabbi erwirbt in Ungarn eine Hirtenmelodie und macht sie in seiner Gemeinde

berühmt, ein sephardisches Lied aus Spanien greift den christlichen Mythos vom jungen

Mann auf, der einer Marienstatue seinen Verlobungsring ansteckt und sein Versprechen als

Mönch einlösen muss. Mit begeistertem Applaus und dem sanften jiddischen Lied »Stiller

Abend, dunkelgold, ich sitz beim Glaserl Wein« ging dieser beeindruckende Konzertabend zu

Ende.

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